Tissue Culture umgetopft

Tissue Culture umgetopft

Das letzte Update ist vom 19. September 2023:

Tissue Culture
📚Gewebekultur (Tissue Culture) ist das Wachstum von Geweben oder Zellen in einem künstlichen Medium, das vom Elternorganismus getrennt ist. Diese Technik wird auch Mikropropagation genannt. Dies wird typischerweise durch die Verwendung eines flüssigen, halbfesten oder festen Wachstumsmediums wie Br…

Zusammenfassung (TL;DR) by ChatGPT:
Wir beschäftigen uns mit Tissue Culture, um Pflanzen für den Pflanzenschrank und den Dachgarten zu vermehren. Tissue Culture bietet Vorteile wie Konservierung, langsame Wachstumsphasenüberbrückung und Multiplikation durch Zellteilung. Wir verwenden PP-Behälter, sterilisieren Pflanzenmaterial mit H2O2 und mischen Nährstofflösungen nach spezifischen Rezepten (MS). Ein selbstgebauter Laminar-Flow-Schrank wird verwendet, um eine sterile Umgebung zu schaffen. Trotz einiger Misserfolge gelingt die Vermehrung einiger Pflanzen. Eine ältere Sterilwerkbank bekommen wir vom Standort Recklinghausen und zukünftige Pläne umfassen die Verwendung eines Schnellkochtopfs als Autoklav für verbesserte Sterilisation und die Erweiterung der Materialauswahl.

Ein halbes Jahr ist vergangen & wir konnten viel dazu lernen. Steriles Arbeiten ist nicht so einfach wie vorher gedacht, der Zeitaufwand ebenso entsprechend hoch und die Erfolge gar nicht so einfach wie es immer aussieht... Dennoch sind wir weiter gekommen und konnten sogar Pflanzen aus dem ersten Versuch umtopfen und weiter vermehren, sodass diese Genetiken immer noch leben :)

Begonie und Gefleckte Efeutute in der zweiten Generation

Hier sehen wir Pflanzen der ersten Generation und den inzwischen dritten Umzug in einen neuen Topf. Teilweise vermehrten sich die Pflanzen in den Töpfen und wir konnten diese multiplizieren. Echt cool!

Die ersten PP Döschen waren knapp 30ml groß und sind vor allem praktisch um die ersten Wurzeln bilden zu können. Sobald jedoch das Blattwerk ausgebildet wird, wird es sehr schnell recht Eng in der Dose.

Danach probierten wir etwas größere, aber vor allem breitere Dosen. Die 100ml Fassungsvermögen sind schon sehr gut, aber die maximale Höhe die diese Behälter haben ist leider noch zu wenig.

Nun haben wir PP-Behälter mit ganzen 520ml Fassungsvermögen, wodurch die Bächer vor allem sehr hoch sind. Perfekt zum weiteren Ausbilden von Blättern.

Abläufe

Im Folgenden beschreibe ich unsere Abläufe, mit denen wir bisher die besten Ergebnisse bekamen.

Nährlösung ansetzen

  1. Wassermenge bestimmen (Destilliertes)
    100ml reicht für den Anfang in kleinen Bechern aus. Bei mittleren Bechern nehme ich i.d.R. 200ml und bei großen Bechern min. 300ml
  2. MS (Murashige & Skoog) Fertigmischung nach Anleitung hinzufügen
  3. Zucker (3g / 100ml) hinzufügen
  4. Agar hinzufügen (1g / 100ml)
  5. Halbe Stunde Umrühren lassen (wir nutzen unsere Standbohrmaschine)

Die Nährlösung ist soweit fertig. Allerdings dickt das Agar nicht von alleine & die Lösung ist bisher nicht steril. Entsprechen können wir aber entspannt arbeiten und die Flüssigkeit mischen, ohne dabei auf eine sterile Umgebung achten zu müssen.

Becher befüllen

PP-Becher sind Mikrowellenfest und verformen sich nicht. Dadurch können wir die nicht sterile Nährlösung in die Becher geben und dosieren. Anschließen stellen wir alle Becher in die Mikrowelle und legen den PP Deckel leicht auf. Wichtig: nicht verschließen, da sonst durch den Überdruck eine riesige Sauerei entsteht :-D

Kocht die Flüssigkeit in den Bechern, wurde diese sterilisiert. Alles im Inneren der Becher beträgt vermutlich > 90 Grad Celsius, entsprechend überleben keine Keime oder Bakterien. Gleichzeitig kann das Agar die Flüssigkeit zum Andicken bringen, da sobald die Flüssigkeit ausgekühlt ist, alles fest geworden sein müsste. Die Becher also mit aufliegendem Deckel aus der Mikrowelle nehmen und am besten direkt in die Sterilwerkbank stellen, da beim Auskühlen die Deckel weiterhin nur aufliegen und nicht richtig abdichten. Nach wenigen Minuten ist die Flüssigkeit ausreichend kühl, sodass wir die Deckel andrücken können. Jetzt ist das innere steril, die Flüssigkeit wurde fest und die Dose ist verschlossen. So können wir Dosen für die Zukunft vorbereiten und in Reserve halten.

Pflanzenmaterial schneiden

Nun braucht es auch Pflanzen, die sich vermehren können ... Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass alles, was grün ist, sich auch vermehren lässt. Mehr oder weniger..

Efeutute, Begonie, Buntnessel, Duft-Pelargonie als auch Aloe-Vera haben wir ausprobiert. Die Aloe-Vera wurde braun und ist eingegangen ... Der Rest funktionierte - sofern wir sauber gearbeitet hatten ...

💌
Solltet auch ihr Lust haben und euch in Tissue Culture versuchen, kontaktiert uns gerne, kommt vorbei & bringt Pflanzenmaterial mit!

Theoretisch reicht es ein Quadratmillimeter aus einem Blatt zu nehmen und durch die Wurzelhormone müssten sich Wurzeln bilden und entsprechend die Pflanze wachsen. Natürlich dauert dieser Prozess entsprechend lange...

Es können auch ganze Stecklinge in Tissue Culture gesetzt werden. Sie bringen schon Blätter und meistens einen kleinen Stamm mit sich, sodass dieser Wurzeln könnte. Allerdings haben ganze Stecklinge den Nachteil, dass viel Oberfläche sterilisiert werden muss. In den Astgabeln und Blattgabeln bleiben gerne Keime oder Bakterien zurück, die sich dann ungehindert vermehren können. Viel Pflanzenmaterial hat also auch Nachteile.

So ein Mittelding
Ich versuche immer möglichst neue Äste und Blätter einer Pflanze zu nehmen und schneide eine etwa 3 cm große Probe ab. Da schneide ich alle Blätter an (etwa 20 % überlassen), um weniger Flächen zu haben und später erkennen zu können, welche Blätter neu gewachsen sind, bzw. vom Steckling abstammen, da diese dann angeschnitten sind. Den Stamm (max. 2 mm Durchmesser) belasse ich mit > 1 cm.

Pflanzenmaterial sterilisieren

Wir bekommen immer mehr den Eindruck, dass vor allem dieser Schritt über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Gleichermaßen kann dieser Schritt auch übertrieben werden, durch z.B. zu aggressiven Mitteln, die dann zwar alle Bakterien abtöten, die Pflanze jedoch auch. Viele Labore arbeiten hier mit Bleiche. Wir selbst haben bisher ausschließlich mit H2O2 (Wasserstoffperoxid) gereinigt, da wir es bereits bei Hydrokulturen auf mineralischen Düngern verwendet hatten und gute Erfahrung und auch eine gute Pflanzenverträglichkeit erkennen konnten.
Wir haben in den ersten Durchgängen mit 6 %igem H2O2 sterilisiert. Also ein Glas mit der Flüssigkeit gefüllt, das Pflanzenmaterial rein und 20-30 Minuten umrühren lassen. Inzwischen verdünnen wir auf 3% oder sogar 1%, da H2O2 bei 6% eine starke Wirkung auf die Pflanzen hat und diese ggf. auch abtöten kann. Verdünnt wird hier ebenfalls mit destilliertem Wasser.

Potting

Nun heißt es rein damit in die PP Dosen. Bei wenig Pflanzenmaterial empfehlen wir auch kleine Dosen zu verwenden, da es hier ggf. viele Monate dauern kann, bis sich was tut. Generell empfiehlt es sich die gefüllten PP Dosen einige Tage oder Wochen stehenzulassen, um eine Kontamination im Ablauf ausschließen zu können.

Das Pflanzenmaterial wird erst in der Sterilwerkbank aus dem Behälter genommen und auf einen sterilisierten Teller gelegt. Mit sterilisiertem Werkzeug (Pinzette, Skalpell) wird dann das untere Ende des Stammes abgeschnitten, um den Teil zu entfernen, wo ggf. H2O2 eingezogen ist. Das Gleiche können wir auch bei den Blättern durchführen, also erneut einen Streifen abschneiden, um die Schnittstelle frei von H2O2 zu bekommen. Hier ggf. in destilliertem Wasser zwischenspülen.

Nun einen Becher vorsichtig öffnen und keinesfalls hineinfassen. Die Hände werden ohnehin mit Isopropanol o.ä. gereinigt, aber hier heißt es: so wenig berühren wie möglich.
Mit der Pinzette das Pflanzenmaterial in den Becher legen und etwas eindrücken. Möglichst schnell den Deckel wieder auflegen und verschließen.

That's it.