Tissue Culture
Quelle: Tissue Culture
Weitere Infos: pflanzliche Gewebekultur
Dadurch, dass wir für den Pflanzenschrank und den Dachgarten immer wieder Pflanzen vermehren möchten, haben wir uns nun auch mit Tissue Culture befasst. Einige Pflanzen können durch Samen, oder Stecklinge vermehrt werden, bei anderen wird es kompliziert... Tomatenzweige können beispielsweise einfach abgeschnitten und in einem Glas Wasser wieder bewurzelt und somit vermehrt werden.
Interessant ist auch das Vermehren von tropischen Pflanzen wie Monstera oder Philodendron, da selbst große Produzenten damit Schwierigkeiten haben. In der Fachliteratur wird schnell der Eindruck vermittelt, dass zum Anlegen von Gewebekulturen ein gut ausgestattetes Labor nötig ist - alleine zum sterilen Arbeiten. Entsprechend wollten wir unsere eigenen Erfahrungen machen :)
Ein weiterer Vorteil ist das Konservieren. Die Pflanzen wachsen vor allem am Anfang nur sehr langsam und können so ggf. die Wintermonate einfach überbrücken. Eventuelle Krankheiten gehen dabei meistens verloren, da keine infizierten Zellen übernommen werden und die Oberflächen intensiv gereinigt wird, bevor diese in den sterilen Container wachsen dürfen.
Tissue Culture bringt aber vor allem einen großen Effekt mit: das Multiplizieren. Hier werden Hormone verwendet, die eine Zellteilung bewirken. Entsprechend vervielfältigt sich das Pflanzenmaterial auf engstem Raum. Nach einigen Monaten können diese kleinen Pflänzchen voneinander getrennt und individuell weiter hochgezogen werden. So können aus einem kleinen Stück Pflanzenmaterial schnell hunderte Pflanzen entstehen.
Gesagt, getan. Als Erstes brauchen wir passende Behälter, Nährstoffe, Hormone, einiges an Werkzeug/Maschinen und viel Geduld.
Als Behälter haben wir uns für PP entschieden, da dieses Material Mikrowellenfest ist und wir momentan keine andere Möglichkeit zur Sterilisation und Erhitzung haben. Um das Pflanzenmaterial zu reinigen, haben wir H2O2 (Wasserstoffperoxid) beschafft und legen die geschnittenen Pflanzen in 6%-haltige Lösung für einige Minuten ein.
Wir nutzen Makro & Mikronährstoffe wie beschrieben nach Murashige & Skoog (1962) sowie Vitamine wie beschrieben nach Linsmaier & Skoog (1965).
Und enthält zusätzlich:
Natriumdihydrogenphosphat (147,5 mg/l)
Adenin-Hemisulfat Monohydrat (80 mg/l)
2iP (30 mg/l), IAA (0.3 mg/l) nach Huang and Murashige (1977)
Die MS-Lösung enthält vor allem Makro- & Mikronährstoffe, die unabdingbar zum Pflanzenwachstum sind. Die LS-Lösung erweitert alles um Vitamine, die ebenfalls sehr nützlich sind.
Natriumdihydrogenphosphat dient hier als Pufferlösung, das Adenin-Hemisulfat Monohydrat und 2iP haben eine Cytokininwirkung und bewirken das Strecken der Pflanzen sowie die Zellteilung.
Die oberhalb erwähnten Bestandteile sind in einem Pulver in korrektem Verhältnis bereits vorhanden und machen das Dosieren erheblich leichter. Im Folgenden nenne ich diese Mischung MSA (Murashige & Skoog - Type A).
Um einen halben Liter Nährstofflösung anzumischen, nutzen wir:
500 ml Wasser
2 g MSA
15 g Zucker
5 g Agar
1 g PPM
sehr wenig PH-Regulator (Phosphorsäure)
Der Zucker dient als Nährstoff für die Pflanze. Agar ist quasi Gelatine und bewirkt das Andicken der Flüssigkeit unter erhöhter Temperatur.
Wir mischen alles mit unserer Standbohrmaschine zusammen und rühren bei 800U/min eine Viertelstunde um. Der Zucker und die anderen Bestandteile lösen sich im Wasser auf. Danach füllen wir die Flüssigkeit in die Behälter aus PP. In unserem Fall sind es etwa 5 ml pro Becher. Die Flüssigkeit wurde auf PH 6.0 reguliert, da aus unserem Wasserharn PH 7.8 kommt und die Mineralien hier nicht Pflanzenverfügbar wären.
Ist alles schön verteilt, kommen die Behälter in die Mikrowelle. Auf 800 W so lange drehen lassen, bis die Flüssigkeit kocht (hier ggf. destilliertes Wasser verwenden, da es nicht ausgast beim Kochen). Durch das starke Erhitzen sterben alle Bakterien ab und das Agar kann seine Arbeit beginnen. Nun sind die Behälter geschlossen, heiß und steril.
Um das Pflanzenmaterial halbwegs sicher in die sterilen Behälter zu bekommen, nutzen die Profis im Labor eine Sterilwerkbank. Da diese Geräte jedoch sehr kostspielig sind und das Projekt "Tissue Culture" mehr aus Interesse begonnen wurde, haben wir kurzerhand selbst eine Umgebung geschaffen, in der ein linearer Luftzug geht, welcher zuvor gefiltert wurde. Dazu haben wir zwei Lüfter, eine Kiste und Filter aus dem Staubsaugerbereich verbaut:
Hier können dann die Behälter vorsichtig geöffnet werden, ohne dass ggf. kontaminierte Umgebungsluft eindringen kann und Bakterien in die sterile Umgebung tragen. Die Hände sollten desinfiziert worden sein, oder besser noch mit Handschuhen überzogen. Das Pflanzenmaterial wird dann möglichst zügig in die Behälter gesteckt, geschlossen und dann unter künstlichem Licht mit min. 14 Stunden Helligkeit pro Tag beleuchtet. Dann heißt es warten ...
Natürlich ergibt es Sinn, direkt mehrere Behälter zu befüllen. Nicht alle Behälter müssen auch mit Pflanzenmaterial besetzt werden. Die nur mit der Lösung befüllten Behälter können auch lange archiviert und später genutzt werden.
Im folgenden Bild sieht man das interessante Ergebnis:
Bereits nach einer Woche zeigt sich, ob gut gearbeitet wurde und keine Bakterien hineingetragen wurden. Und naja... das war wohl nichts.
Die linken Dosen sind noch recht hell und wurden nur etwas milchig. Die Dosen rechts im Bild sind alle von Schimmel befallen. Gut das hier weder was hinein noch heraus kann.
Nach mehreren Versuchen und unterschiedlichen Arten zu sterilisieren, haben es ein paar Dosen geschafft:
Hier sehen wir drei unterschiedliche Pflanzen, die es geschafft haben. Kein Schimmel & Wachstum :-) Jetzt heißt es "umtopfen".
In der Zwischenzeit konnten wir eine abgeschriebene Sterilwerkbank aus Recklinghausen bekommen:
Vielen Dank an dieser Stelle an den Campus Recklinghausen! :)
Für die Zukunft besorge ich noch einen Schnellkochtopf, der uns als Autoklav dienen soll und das Sterilisieren deutlich vereinfacht und gleichzeitig erheblich verbessert, da wir auch andere Materialien als PP nehmen können - z.B. auch Glas.